„Ich wünschte mir, das Stück hätte es schon gegeben, als ich 15 war“



Die Geschichte

Eddy Bellegueule ist, wenn er für sich sein kann, fröhlich. Er lebt sich aus. Er zieht gern Frauenkleider an und tanzt zu seiner Lieblingsmusik. Er gefällt sich auf diese Weise. Jungen in seinem Alter ziehen ihn an. Sie zu beobachten erregt ihn. Sobald diese intimen Momente verfliegen, sieht er sich konfrontiert mit einem provinziellen Umfeld, das seine Art nicht akzeptiert. Eddy schämt sich dann.

Sein Vater will nichts wissen von den Bedürfnissen und Wünschen seines Sohnes und steht ihnen feindselig gegenüber. Sein Bruder ist ohnehin aggressiv gegenüber seiner Umwelt. Seine Mutter zeigt sich kritisch, findet aber einen diplomatischeren Ton im Umgang mit ihm. Seine Mitschüler mobben Eddy, sein Schulweg ist ein Spießrutenlauf. Ständig ist er Anfeindungen ausgesetzt und bald bereit, sich zu verwandeln und ein Mädchen zur Freundin zu haben. Als seine Mutter von seinen ersten homosexuellen Kontakten erfährt, will Eddy sich fügen, will für sie ein echter Kerl werden. Ein Paradox. Doch auch als daraufhin die Verbindung mit einer Bekannten eingerichtet wird – Eddy empfindet nun einmal, wie er empfindet. Er ist, wie er ist. Das lässt er schließlich gelten, sieht das Sollen mit seinem Sein nicht vereinbar.

 

Die Geschichte hinter der Geschichte

Das Berliner Theater an der Parkaue hat den Roman „En finir avec Eddy“ von Édouard Louis auf die Bühne gebracht und zeigt auf dem Wildwechsel-Festival eine Lesefassung seiner Inszenierung. Von den vier Schauspieler*innen ist jeder mal Eddy und der Rest steht gegen ihn. Eddy wird abwechselnd gespielt. So wechseln auch die anderen Rollen unter den Darsteller*innen. Das zwingt den Zuschauer zum genauen Hinhören. Wer vertritt hier welche Position, mit wem hat man es in diesem Moment zu tun, was verbirgt sich hinter einer so oder so gearteten Aussage? Alltägliche Szenen aus der Familie, in der Eddy lebt, werden vorgeführt. Hier wird nicht die Großstadt, sondern die Provinz dargestellt. Im Kleinen, im Detail findet sich aggressives Verhalten gegen Andersartiges, Sexualität, Herkunft, Vorlieben. Der Vater ist offen frauen- und fremdenfeindlich. Seine Kinder müssen seine Aussagen erdulden. Eddy muss sein Wesen dabei verbergen.

Die Moral von der Geschichte

Für Jugendliche bietet dieses Stück die Möglichkeit zur ernsthaften Kontaktaufnahme mit der eigenen Art. Wer sich bisher selbst nicht im klaren über seine werdende sexuelle Orientierung war, wer womöglich die schwulenfeindlichen Schimpfreden seiner Eltern oder Großeltern über sich ergehen lassen musste, in einem engen Heim, der kann beim Betrachten dieser Inszenierung jemanden beobachten, dem es ähnlich ergeht und der sich zuletzt befreit, sich nicht länger unterdrücken lässt. Denn darum geht es: Eddy Bellegueule entflieht seinem Umfeld, verlässt sein Zuhause in einer Kleinstadt für eine Gesellschaft, die ihn akzeptiert, so wie er ist.

 

 

Stimmen zu dem Stück

 

„Ich wünschte mir, das Stück hätte es schon gegeben, als ich 15 war.“

Tom Smith (30), Musiker

 

„Eine großartige Leistung der Schauspieler zu einem Thema, das auch und gerade in der Provinz aktueller ist denn je.“

Lars Schulz (33), Theaterpädagoge

 

„Das Stück ist sehr schön und macht nachdenklich. Ich kenne das Buch sehr gut, die berührenden Passagen haben mich auch von der Bühne aus erreicht.“

Linnea Vogel (20), Schauspielstudentin

 

„Ich mag das Format des Vorlesens.“

Theresa Kawalek (27), Theaterpädagogin

 

„Wie weit darf man gehen? Das Stück findet genau den richtigen Ton und Tiefe.“

Kai Friebus (23), Schauspieler